Projektfahrt La Réunion 2018/19:

K1024 31 Am Indischen OzeanAustausch des GZE mit La Réunion

Seit dem 14.3. 2019 haben wir Besuch aus La Réunion: unsere französischen Austauschpartner bleiben noch bis zum 28. März 2019 in Deutschland.

Neben einem Ausflug nach Bremen (Universum und Besuch des Mercedes-Werkes) fahren wir nach Papenburg (Besuch der Meyer-Werft), besuchen das Weltnaturerbe Wattenmeer, eine Seehundstation und reisen zusammen nach Hamburg (Besuch des Airbus-Werkes, des Hafens, der Elbphilharmonie und des Miniaturwunderlandes). Zudem absolvieren die französischen Gastschüler(innen) gemeinsam mit ihren deutschen Partner(inne)n ein Kurzpraktikum und können dabei in die Arbeitswelt unserer Region schnuppern.

Nachfolgend finden Sie einen Artikel der Fahrt nach La Réunion sowie einige Fotos dieser Fahrt:

Projektfahrt La Réunion 2018/19: „On y va – à la grève?!"

Am 13. November 2018 macht sich unsere 21-köpfige Gruppe, bestehend aus Schülern der Jahrgänge 10 bis 12, unter der Organisation von Frau Kilian und Herrn Trümer auf den Weg in das französische Übersee-Département La Réunion. Unser Vorsatz: Neben dem Kennenlernen der großen kulturellen und landschaftlichen Vielfalt, welche die Insel bietet, möchten wir vor allem - im Rahmen eines Mini-Praktikums von vier Tagen - einen Einblick in die dortige Arbeitswelt wagen. Dass wir uns mitten im Indischen Ozean dann schließlich in der sozialen Protestbewegung der sogenannten „Gelbwesten" wiederfinden werden, ahnt zu diesem Zeitpunkt wohl keiner von uns.

Bereits am ersten Tag werden wir von verschiedenen religiösen Stätten mit ihrer Farbpracht begrüßt: Bunte hinduistische Tempel, deren Gläubige Diskretion in hoher Form pflegen, gewähren uns ausnahmsweise Einsicht in ihre außergewöhnliche spirituelle Welt. Nicht nur die Gewänder der Glaubensanhänger, sondern auch die malerischen Tiermotive an den Gebäuden erregen unsere begeisterte Aufmerksamkeit. Die réunionesische Religionslandschaft ist weit und tolerant: So leben die verschiedene Weltreligionen auf der Insel friedlich nebeneinander. Die christliche Kirche Notre Dame des Laves, die die blau gestrichene „Vierge au parasol", die „Jungfrau mit dem Sonnenschirm", beherbergt, bereichert uns zudem mit einer kleinen Anekdote: Nach einer gewaltigen Eruption des Vulkans Piton de la Fournaise im Jahre 1977, zerstörte die Lava das ganze Dorf Sainte-Rose. Die kleine Kirche hingegen, deren Zerstörung als unvermeidbar galt, wurde aber auf wundersame Weise lediglich umspült: Der Lavastrom hatte sich vor der Kirche geteilt, war rechts und links vorbei- und hinter dem Gotteshaus wieder zusammengeflossen. Die tiefgläubige Bevölkerung sah darin ein Wunder, da auch alle Dorfbewohner überlebt hatten. Die Kirche genießt seither einen Sonderstatus unter den Wallfahrtskirchen auf La Réunion.

Der immer wieder aktive Vulkan Piton de la Fournaise zählt zu den aktivsten Schildvulkanen weltweit und wurde als UNESCO-Weltnaturerbe ausgezeichnet. Wie die Lava sich bei einem Ausbruch ihren Weg bis zum Meer ebnet, erkennen wir auf der Fahrt in den Süden in beeindruckender Weise anhand der Landstraße in der schwarzen Gesteinslandschaft. Sobald sich die Natur ihren Raum zurückholt, muss daraufhin der betroffene Straßenabschnitt wieder erneuert werden.

Nachdem wir Saint Joseph, die Stadt unserer Gastfamilien, und die weiterliegende Umgebung in den ersten zwei Tagen noch sorglos hatten erkunden können, versperren uns ab Samstag zahlreiche Straßensperren der Gelbwesten den Weg – was uns das Reisen auf der Insel in der Folge unmöglich machte. Mit großer Entschlossenheit und wenig Nachgiebigkeit, die der französischen Streikkultur Tribut zollt, wurde niemand mehr durchgelassen, der keinen triftigen Grund (wie etwa Krankenschwestern oder Notärzte) vorweisen konnte. Wir mussten hinnehmen, dass nur in größeren Zeitintervallen vereinzelt Autos durchgelassen wurden. So wurde ein Ausflugstag zur Odyssee und unser Programm nach und nach abgesagt.

Einen ÖPNV, so wie wir ihn gewohnt sind, gibt es auf der Insel nicht: Keine Züge, wenig Busse, dafür viele Autos. Da auf La Réunion nicht gerade wenige Menschen an der Schwelle zum Existenzminimum oder sogar darunter leben, reagierten viele Inselbewohner auf die Ankündigung einer Benzinpreis-Erhöhung durch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron äußerst aufgebracht. Die Streikenden ließen aber immerhin keine Gelegenheit aus, den Wartenden ihre Situation immer wieder geduldig zu erklären. An manchen Ecken bekam die Protestaktion gar den Charakter eines Dorffestes. Wäre da nicht die unterschwellig immer wieder spürbare Anspannung gewesen - denn schließlich ging es bei vielen Familien offenbar tatsächlich ums nackte Überleben. Die Arbeitslosenquote ist besonders im Süden der Insel beachtlich hoch. Und so stießen die Gelbwesten zumindest zu Anfang ihrer Aktionen insgesamt auf großes Verständnis in der Bevölkerung.

Für uns war dies natürlich erst einmal schade: Da nicht nur Schulen über fast zwei Wochen geschlossen werden mussten, sondern auch das öffentliche Leben empfindlich gestört wurde und teils zum Erliegen kam, konnten auch die meisten von uns ihre Praktika nicht durchführen. So verlief dann unser Schüleraustausch im Bereich der beruflichen Orientierung auch nicht wie geplant. Immerhin hatten wir zu Anfang noch eine Zuckerrohrfabrik besichtigen können, wo wir jeden einzelnen Verarbeitungsschritt nachvollziehen konnten. Der Anbau von Zuckerrohr stellt auf La Réunion den bedeutsamsten Wirtschaftssektor dar, mit vielen daran hängenden Arbeitsplätzen. Wir lernten dort: Die Fabrik muss unbedingt 24 Stunden am Tag laufen, um Gewinn zu erzielen. Umso mehr wurde uns die gravierende Tragweite der Streiks bewusst, als wenige Tage nach unserem Besuch kein Zuckerrohr mehr von den Plantagen zur Fabrik geliefert werden konnte. Am Rande der Straßen standen Traktoren mit Anhängern, auf denen das geerntete Zuckerrohr in der Sonne vertrocknete.

Die Streiks hatten darüber hinaus auch weitreichende Konsequenzen für andere landwirtschaftliche Bereiche, in denen auch einige unserer Gastfamilien tätig waren. Ernten konnten nicht abtransportiert und auf der Insel verteilt werden. Auf einem landwirtschaftlichen Betrieb hoch in den Bergen, den wir besichtigten, musste die erzeugte Milch zwangsläufig entsorgt werden, da sie nicht abgeholt und in die Supermärkte verteilt werden konnte. Die Regale der Geschäfte in Küstennähe hingegen leerten sich allmählich. - Eine wirtschaftliche Katastrophe für alle Beteiligten!

Die Situation dieses in jeder Hinsicht besonderen Schüleraustausches verlangte von uns und vor allem unseren betreuenden Lehrern ein hohes Maß an Flexibilität, Gelassenheit und Belastbarkeit. Die Lehrkräfte bewiesen dabei viel Einfallsreichtum, um uns trotz der widrigen Umstände ein Ersatzprogramm zu ermöglichen. Darunter fiel unter anderem der Besuch einer Teeplantage, wo wir – wie auch im Jardin des Parfums et des Épices – die botanische Vielfalt bestaunen konnten. Wir erlebten verschiedene, teils sehr exotische Geruchs- und Geschmackseindrücke, die in unseren Breitengraden ihresgleichen suchen. Darüber hinaus wanderten wir etwa 15 Kilometer durch ein ausgetrocknetes Flussbett in die Berge, wo wir anschließend in Hütten mitten in der Natur übernachteten, um am nächsten Tag den gleichen Weg wieder zurück zu marschieren. Eine Anstrengung, die sich gelohnt hat!

Wer jetzt denkt, wir hätten von der Reise nach Frankreich jenseits des Äquators aufgrund der vielen Einbußen in unserem Programm nicht profitieren können, der irrt: Wir mussten weit mehr als nur unsere Komfortzone überwinden, um uns in dieser diffusen Lage zurechtzufinden und darin und darüber zu kommunizieren. Und dafür braucht man nicht zuletzt natürlich eines: Die französische Sprache. Wir haben sie als Schlüssel erfahren, der Türen zu ganz neuen Horizonten öffnen kann, ganz besonders zu einem solchen tropischen Ort. Dank der Sprache durften wir zwei Wochen lang die wohlwollende und gastfreundliche Mentalität der Inselbewohner erfahren - in einer für sie selbst überraschend unruhigen Zeit des Aufruhrs, der Lebensmittelknappheit und der nächtlichen Ausgangssperren. Das alles hat nicht nur zu einem sehr regen Austausch und dadurch zu einem ziemlich engen Kontakt mit den Gastfamilien geführt, sondern vermutlich auch maßgeblich zur Persönlichkeits¬ente-wicklung beigetragen. Schließlich wurde man automatisch dazu angestiftet, intensiver über die eigene Lebenswirklichkeit und eigene Bedürfnisse nachzudenken.

Sicherlich ist uns allen klar, dass dieser Aufenthalt 10.000 km von der Heimat entfernt uns ein äußerst ungewöhnliches Bild dieser sonst so paradiesisch wirkenden Insel beschert hat. Aber es ist zugleich eine unvergessliche, prägende Erfahrung, die wir nicht missen möchten.

Philip Gerdes/Renate Kilian

La Réunion-Informationsbox des GZE

  • Carte Reunion vide1200px-La Reunion-France on the globe .svgLa Réunion (korrekterweise eigenlich "Île de la Réunion") ist politisch gesehen ein Übersee-Département sowie eine Region Frankreichs. Somit gehört sie zur Europäischen Union obgleich sie im Indischen Ozean östlich von Madagaskar liegt.
  • Bis 1794 hieß die Insel Île Bourbon, unter Napoleon Île Bonaparte, dann bis 1848 wieder Île Bourbon. Bekannt ist sie hierzulande auch durch die "Bourbon-Vanille".
  • Die Hauptstadt Saint-Denis liegt an der Nordküste der Insel und hat ungefähr 150.000 Einwohner.
  • La Réunion, was deutsch etwa „Insel der Zusammenkunft" bedeutet, ist vulkanischen Ursprungs und vor etwa drei Millionen Jahren entstanden, als der Vulkan Piton des Neiges aus dem Indischen Ozean aufstieg. Auch heute noch verläuft eine Vulkankette quer über die Insel, deren höchster Gipfel mit 3070 Metern der Piton des Neiges bildet und entlang welcher auch der 2631 Meter hohe und heute noch aktive Piton de la Fournaise liegt.
  • La Réunion hat ein tropisch-sommerfeuchtes Klima mit einer Regenzeit von Dezember bis März. Die Ostküste ist sehr regenreich, wohingegen die Westküste ein eher steppenartiges Klima aufweist.
  • Weitere Informationen zu La Réunion finden sich unter folgenden Links:

 

Die Insel ist vor etwa drei Millionen Jahren entstanden, als der Vulkan Piton des Neiges aus dem Indischen Ozean aufstieg. Eine Vulkankette, deren höchste Gipfel der Piton des Neiges (3070 m) und der noch aktive Piton de la Fournaise (2631 m)