Fahrt 2009

Bildergalerie:

Bildergalerie der Fahrt 2009 - aufgenommen von W. Baroke:

Reisebericht der GZE Schülerinnen:

Bericht von Jennifer Hoffmann, Alina Kotova und Larissa Schween

Nach einem halbtägigen Flug mit Zwischenstopps in Paris und Niamey (Niger) standen wir sechs, unser Projektleiter und Vorsitzender des Fördervereins für Schulpartnerschaften in Entwicklungsländern, Winfried Baroke, der ehemalige Lehrer des GZE und Begründer des Tamiga-Projektes, Franz Wester, die Journalistin und Afrika erfahrene Ingrid Wernich und wir drei Schülerinnen, Alina Kotova, Larissa Schween und Jennifer Hoffmann, vor dem Flughafen von Ouagadougou im dunklen und warmen Afrika. Wir suchten im Gewimmel vor der im Bau befindlichen Flughafenhalle die drei Männer, die uns abholen sollten: Fidèle Kaboré, den Direktor der Schule von Tamiga, Yassia Ouedraogo, den Dolmetscher, und Jean-Pierre, unseren Fahrer. Wir fanden sie oder besser gesagt, sie uns und unser Gepäck wurde von vielen helfenden Händen auf dem Dach eines gemieteten Landcruisers verstaut. Durch die nur wenig erleuchteten Straßen ging es in wenigen Minuten zu unserem Hotel. Das von der katholischen Gemeinde geführte Hotel „Notre Dame de Lorette" befand sich in einem Hinterhof im Kern der Stadt und hatte sogar eine kleine Kapelle. Müde, aber auch froh, endlich angekommen zu sein, fielen wir in unsere Betten.

Als wir am nächsten Morgen vor das Hotel traten, realisierten wir erst wirklich, dass wir in Afrika waren. Die Sonne schien bereits am Morgen kräftig vom Himmel und wir genossen Temperaturen von mehr als 30°C im Schatten. Aufgrund des Nationalfeiertages waren der Verkehr und auch der Smog der Hauptstadt Ouagadougou erträglich, eine alles bedeckende rote Staubschicht war auf unserem Weg zum Frühstück unübersehbar.

Da unsere Gespräche mit dem Deutschen Entwicklungsdienst erst am Montag stattfinden konnten, nutzten wir die Gelegenheit zu einigen Ausflügen, unter anderem besuchten wir ein Dorf, in dem Krokodile frei in einem großen See leben, und wir ließen die Vielfalt und Fremdheit afrikanischer Märkte auf uns wirken. Beim Schlendern über einen sonntäglichen Markt am Rande der Hauptstadt stolperten wir fast über einen frisch abgetrennten Rinderkopf. In der Vorbereitung auf die Fahrt hatten wir uns in der Tamiga-AG auch mit dem Film „Workingman´s Death" beschäftigt, in dem Schlachtungen in Nigeria unter katastrophalen hygienischen Bedingungen gezeigt wurden. Wir waren also vorbereitet, aber zwischen Film und der realen persönlichen Erfahrung liegen Welten. Das Treiben auf dem Markt und die vielen uns unbekannten Produkte waren sehr beeindruckend. Es wurden viele fremde Gewürze und Gemüsearten angeboten, aber auch das traditionelle Hirsebier Dolo konnte erstanden werden. In den Dolo-Hütten sahen wir alkoholisierte Menschen und auf Tischen mit selbst gebauten Glücksrädern konnte man einen Einsatz wagen. Wir waren auf dem Markt nie allein, wurden häufig angesprochen und man versuchte, uns zu einem Kauf zu überreden. Die Reaktionen der Kinder waren sehr unterschiedlich. Einige waren neugierig und „posten" sogar vor unseren Digitalkameras, andere waren skeptisch und kleinere Kinder, die vermutlich zum ersten Mal weißhäutige Menschen sahen, auch manchmal ängstlich.

Montag, 05. Januar, Berufsverkehr - mit deutschen Straßen nicht zu vergleichen. Jeder fuhr wie er will und wo er will – auf Fußgänger wurde keine Rücksicht genommen! Die Hauptverkehrsstraßen Ouagadougous waren verstopft und der Gestank nach Abgasen nahm uns die Luft zum Atmen. Wir waren froh, am nächsten Tag die Millionenstadt hinter uns zu lassen und wir fuhren über eine neu asphaltierte Straße nach Kongoussi, der ca. 100 km entfernten Hauptstadt der Provinz Bam, zu der auch Tamiga gehört. Aus den Berichten unserer Begleiter wussten wir, dass die Anreise nach Tamiga bei früheren Unternehmungen über eine staubige Rüttelpiste erfolgte und sehr beschwerlich war. Dieses Reisefeeling erhielten wir dann bei zwei Abstechern, bei denen wir Mädchen auf der schmalen Rückbank unseres Landrovers ordentlich durchgeschüttelt wurden. In einem Museum über das Volk der Ouedraogo informierten wir uns über den Totenkult des Stammes. Viele Masken und Kunstgegenstände wurden uns gezeigt und ihre Verwendung bei den Ritualen erläutert. Fotografieren durften wir die Masken nicht, denn der Museumsführer erklärte uns, dass die Masken eine große Macht besäßen und Abbilder sofort zerstörten. Beim Betreten des Hauses mit den Totenreliquien mussten wir aus Respekt vor den Verstorbenen unsere Schuhe ausziehen und rückwärts hinein gehen.

GoldgraeberIn Burkina Faso gibt es an vielen Orten illegale Goldminen, in denen verarmte junge Männer hoffen, einige Körnchen Gold zu finden. Eine dieser Schürfstellen lag auf unserem Weg und wir konnten zunächst nicht glauben, was wir sahen. Mit einer einfachen Hacke über der Schulter und einer am Kopf festgebundenen Taschenlampe kletterten die Männer in bis zu 16 m tiefe Schächte, die sie selbst gegraben hatten, die einen Durchmesser von ca. 1 m haben und die nur äußerst notdürftig abgestützt sind. Die Goldgräber zogen das zusammengekratzte Geröll in einfachen Säcken an Seilen an die Oberfläche, wo es weiter verarbeitet wurde. Sie setzen bei dieser Arbeit tagtäglich ihr Leben aufs Spiel und schaffen es soeben, mit dem Verdienst von ein bis zwei Euro pro Tag ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Wir verließen diesen Ort der Armut sehr bedrückt.

Das Hotel du Lac in Kongoussi, welches wir in den nächsten Tagen als Unterkunft gebucht hatten, war einfach, jedoch mit einem begrünten Innenhof ausgestattet und lag nicht unweit vom wasserspendenden See. Herr Baroke und Herr Wester überredeten uns und ein paar Fischerjungen, eine kleine Bootstour in ausgehöhlten Baumstämmen zu machen. Die Fahrt war sehr wackelig, aber wir genossen einen wunderschönen Sonnenuntergang auf dem See.

ATamigavomHuegelm nächsten Tag ging es endlich nach Tamiga! So nervös waren wir die ganze Zeit noch nicht gewesen. Bei unserer Ankunft gingen wir durch ein Spalier singender Kinder, die schon lange auf uns gewartet hatten. Nachdem uns die Dorfältesten begrüßt hatten, wurde uns zu Ehren getanzt und selbst der Chef de Terre reihte sich in den Tanzkreis ein. Auch ein geschmücktes Pferd umkreiste die Gruppe. Frauen gesellten sich zu den Tänzern und musizierenden Männer und auch wir reihten uns zur Erheiterung der Dorfbevölkerung ein. Anschließend wurde uns als Begrüßungstrunk Hirsewasser in einer Kalebasse angeboten und wir probierten etwas skeptisch die milchige Brühe. Sie schmeckte wie mehliges Wasser.
Begruessung
Natürlich wurden wir auch beschenkt: Die Männer bekamen einen traditionellen burkinischen Anzug, den Frauen wurden Tücher geschenkt, die uns in der Art eines Wickelrockes auch gleich umgelegt wurden. Wir durften dann auch das von den Frauen gebraute Hirsebier, das sogenannte Dolo, probieren. Es hat einen für uns ungewohnten Geschmack, ähnelt dem Hirsewasser, ist aber etwas saurer. Natürlich wurden auch von beiden Seiten Begrüßungsreden gehalten, die unser Dolmetscher Yassia fleißig von Morré, der Stammessprache der Mossi, ins Deutsche übersetzte und umgekehrt.

FrauengespraechIn einem Gespräch mit drei Vertreterinnen der Frauen, bei dem außer dem Dolmetscher keine Männer zugelassen waren, erzählten sie uns von ihrem Alltag in Tamiga, ihrer Stellung im Dorf und in der Familie. In Burkina Faso und somit auch in Tamiga ist Polygamie keine Seltenheit und auch zwei der drei Gesprächspartnerinnen lebten mit ihrem Mann und seiner zweiten Ehefrau zusammen. Für uns eher unverständlich war dies für sie nicht belastend, sondern die Frauen erzählten uns, dass sie und die zweite Frau gute Freundinnen seien, die sich die Arbeit im Haushalt und mit den Kindern teilten.
Am Ende des Nachmittags verteilten wir kleine Geschenke an die Kinder der drei Schulklassen, an die drei Lehrer und die Frauenvertreterinnen. Die Kinder erfreuten sich an Süßigkeiten, Schreibutensilien und unsere ausgeteilten Luftballone sah man noch am letzten Tag durch die Luft sausen. Der erste Tag in Tamiga war erlebnisreich und überwältigend.

MitderBuergermeisterinAm nächsten Tag fuhren wir morgens nach Nasséré, um uns mit der Bürgermeisterin und dem Präfekten der Gemeinde, die beide auch für Tamiga zuständig sind, zu treffen. Mit der Bürgermeisterin hatten wir ein langes Gespräch, in dem es hauptsächlich um die Realisierung der geplanten Projekte in Tamiga ging. Da der Deutsche Entwicklungsdienst unsere finanziellen Transfers nicht mehr unterstützt, musste eine neue Lösung gefunden werden, um den Bau von drei weiteren Klassenräumen in Tamiga realisieren zu können. Mit etwas Ungeduld mussten wir erfahren, wie schwierig und unendlich langsam afrikanische Verwaltungsvorgänge ablaufen. Anschließend zeigte uns der Präfekt die Krankenstation von Nasséré. Es war schockierend zu sehen, in welch einfachen Verhältnissen die Kranken behandelt und versorgt werden müssen. Das medizinische Gerät erfüllt überhaupt nicht unsere Standards: Ein klappriges Moped, auf dem eine Liege befestigt ist, dient zum Krankentransport. Für die Regenzeit gibt es nur eine Plane zum Abdecken dieser Liege. In den Behandlungsräumen sind Liegen und Spülbecken verdreckt, sterile Bestecke sind Mangelware. Die Pflege und die Essensversorgung in den Krankenzimmer ist nur mithilfe von Familienangehörigen möglich. Bei notwendigen Operationen muss das Operationsbesteck vor dem Eingriff gekauft werden, fehlt das Geld dazu, erfolgt keine Behandlung.
In Tamiga gibt es seit 2008 eine mit unserer Hilfe neu aufgebaute Gesundheitsstation, die alte war durch einen Wirbelsturm zerstört worden. Neben der Krankenstation befindet sich der Gebärstein der alten Station, auf dem die Frauen früher ihre Kinder zur Welt brachten. Heute wird er aber nicht mehr genutzt, da die Frauen zur Geburt ihres Kindes in der Regel in die Gesundheitsstation in Nasséré kommen. In der Regenzeit, wenn die Wege kaum passierbar sind, erfolgen Geburten unter problematischen hygienischen Bedingungen in den Hütten. Die Lebenserwartung liegt in Burkina Faso bei 45 Jahren, ein Wert, der vorrangig durch die hohe Säuglingssterblichkeit bedingt ist.

HirsestampfenAn unserem letzten Tag in Tamiga fanden wir endlich Zeit, einen Rundgang durch das Dorf zu machen. Tamiga ist ein sehr schönes Dorf, das in vier Quartiers aufgeteilt ist. Zurzeit leben in Tamiga ungefähr 1000 Menschen. Von einem Hügel neben dem großen Berg, nach dem Tamiga benannt ist (Tamiga = großer Berg), hatte man einen sehr schönen Blick auf das ganze Dorf. Die Landschaft war im Januar, am Beginn der Trockenzeit, noch sehr grün, da es in der vorausgegangen Regenzeit viel und ergiebig geregnet hatte. Beim Gang durch das Dorf folgten uns viele Kinder, die sich immer wieder vor unsere Kameras stellten und mit großer Freude ihr Abbild auf den Displays betrachteten. Die Versorgung der Hütten mit Trinkwasser ist Aufgabe der Frauen und Kinder. Mit den Schwengelpumpen der Brunnen füllten sie Plastikkanister, die auf dem Kopf in die manchmal weit entfernten Hütten getragen wurden. Auch wir versuchten, einen 20-kg-Wasserkanister ein kleines Stück „afrikanisch" zu transportieren und mussten erfahren, wie mühsam es ist. In Tamiga gibt es eine kleine dieselgetriebene Mühle für das Mahlen der Hirse. Da sich viele Familien diesen kostenpflichtigen Service nicht leisten können, mahlen sie ihr Getreide traditionell mit einem Mahlstein. Nur mit großem Kraftaufwand gelang es uns, einige Hirsekörner zu Mehl zu verarbeiten. Wie einfach ist es doch zuhause, wenn die Tüte Mehl beim Discounter in fast unbegrenzter Menge gekauft werden kann.

NichtschulkinderDer Abschied vom Dorf fiel uns allen schwer, die herzliche Aufnahme hatte uns überwältigt. Einen Hahn sollten wir zum Zeichen der Verbundenheit mitnehmen, doch gaben wir diesen in die Obhut eines Junglehrers, da sich der Transport nach Bad Zwischenahn schwierig gestaltet hätte. Es ist schade, denn unsere „Schulhühner" hätten sich über einen afrikanischen Einwanderer sehr gefreut.

Zurück in Ouagadougou besuchten wir das Hilfsprojekt AMPO, das von der deutschen Auswanderin Katrin Rohde geleitet wird. AMPO besteht aus vielen Heimen, in denen Straßenjungen, Waisen und auch junge, von ihren Familien verstoßene Frauen aufgenommen werden. Die Kinder und Jugendlichen erhalten eine Ausbildung und in den Frauenhäusern können die Bewohnerinnen ohne Repressalien für ihre Kinder sorgen und als Schneiderinnen arbeiten. In dem von uns besuchten Frauenhaus fiel uns vor allem die Fröhlichkeit der dort wohnenden Frauen und ihrer Kinder auf, die uns direkt in ihren Bann zogen. Das Lachen der Kinder, ihre Späße und ihre Freude waren überwältigend.

Erst im Flugzeug und mit der Aussicht bald unsere Familien wiederzusehen, wurde uns bewusst, was wir in den letzten Tagen alles erlebt hatten. Wir haben eine Welt kennen gelernt, die man aus den Medien kannte, aber die Realität war viel intensiver und berührender. Das Leben in Burkina Faso und das in Deutschland ist so unterschiedlich, dass man es nicht vergleichen kann. Für uns sind der tägliche Schulbesuch und sich keine Sorgen um das Essen zu machen selbstverständlich. In Burkina Faso sind die elementaren Grundbedürfnisse der Menschen nach wie vor nicht gesichert. Es war gut, im Land der „Aufrechten" gewesen zu sein! Wir werden unsere Erlebnisse und Eindrücke aus Burkina Faso nie vergessen.

Jennifer Hoffmann (12. Jahrgang), Alina Kotova (13. Jahrgang), Larissa Schween (12. Jahrgang)