Fahrt 2001

Reisebericht von einer Schülerin:

Reisebericht von einer Schülerin:

Eine Reise nach Tamiga

von Eva Baroke

Letzter Aufruf: Flug SN609 Brüssel nach Ouagadougou. Das Ziel meiner Reise, Burkina Faso (Westafrika), schien für mich noch so endlos weit weg zu sein, als ich in Brüssel die Boeing 747 der Sabena Airlines betrat. Nicht der Flug von ca. 4500 Kilometern machte mir Angst, sondern die Ungewissheit, was mich da erwartete. Bis zu meiner Abreise hatte ich eine Reihe von Impfungen über mich ergehen lassen müssen, und meine Reiseapotheke drohte überzuquellen. Ich war also bestens präpariert und abflugbereit. Trotzdem betrat ich den Flieger mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Afrika – was erwartete mich dort?

eva10 326x270Im Rahmen eines Entwicklungshilfe-Projektes des Gymnasiums Bad Zwischenahn-Edewecht und des Fördervereins für Schulpartnerschaften hatten nicht nur ich, sondern zwei weitere Schülerinnen des Gymnasiums, Nele Veddeler und Astrid Heesch, die Gelegenheit in eine ganz andere Welt einzutauchen.

Rotbraune Farben, Trockenheit, Hitze, Staub und ein absolutes Chaos auf den Strassen von Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, waren meine ersten Eindrücke. Das ist also Afrika! Etwas irritiert und überwältigt durch die Vielzahl fremder Eindrücke wurde ich in den Pick-up des Deutschen Entwicklungsdienstes verfrachtet, der uns rechtzeitig vor einer Horde von Kofferträgern und Taxifahrern rettete, die sich auf uns stürzte.

Im Hotel angekommen blieb nicht viel Zeit zur Erholung. Da wir nur zwei Tage in Ouaga eingeplant hatten, wurde es höchste Zeit, sich unter die Leute zu mischen und die Stadt zu erkunden, da die nächsten Tage auf Grund des vollen Programms nicht die Gelegenheit dazu boten. Nur das „Sich unter die Leute mischen" klappte nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Der Versuch, einen entspannten Bummel über den Markt zu machen, entwickelte sich schnell zum Alptraum, unsere Gruppe verursachte einen immer größer werdenden Menschenauflauf, aus dem es fast kein Entrinnen gab. Die bei uns vermutete Kaufkraft ließ viele Händler zur Hochform auflaufen: Tücher, Ketten, Badelatschen.... wurden uns vor das Gesicht gehalten und die Vorzüge der Ware lautstark angepriesen. Auch unser freundliches, aber bestimmtes „Non, merci!" ermöglichte es mir nicht, mehr als einen Meter nach vorn zu schauen. Mir wurde sehr schnell klar, dass allein meine auffällige Haut- und Haarfarbe und nicht mein Verhalten, das sicherlich unterschiedlich motivierte Interesse meiner afrikanischen Gastgeber an mir verursachten.

Nach zwei Tagen Aufenthalt in Ouaga und einer Übernachtung in Kongussi rückte unser eigentliches Reiseziel, Tamiga, immer näher. Eine anstrengende Fahrt in einem engen, klapprigen Jeep führte uns über sandige Buckelpisten durch eine karge, ebene Steppenlandschaft, hin und wieder bedeckt mit trockenem, hohen Gras und Bäumen in den verschiedensten Formen, wobei der mächtigste unter ihnen, der Baobab sofort ins Auge stach; mit seinem dicken Stamm und den skurril geformten Ästen erweckte er den Eindruck, als würde er auch oberirdisch nach Wasser suchen.

eva3 416x272Müde und abgekämpft erreichten wir schließlich unser Ziel, das „Bilderbuchdorf" Tamiga. Es ist ein typisch afrikanisches Dorf inmitten der Sahelzone Burkinas. 1992 hatte der damalige Leistungskurs meines begleitenden Lehrers, Herrn Wester, beschlossen, diesem Dorf zu helfen, die Wasserversorgung zu sichern und den Bau einer Schule finanziell zu unterstützen. Dank der Spendeneinnahmen (ca. 40.000 €) sind inzwischen zwei Brunnen im Dorf funktionstüchtig und die ersten beiden Klassenräume der Grundschule sowie eine Lehrerwohnung sind fertiggestellt. Dichtgedrängt sitzen 130 Kinder auf schmalen Schulbänken in doch letztlich viel zu kleinen Klassenzimmern. Es ist klar, dass sich der sehr engagierte Lehrer nur mit kräftiger Stimme verständlich machen kann. Aber die Kinder sind glücklich, dass sie zur Schule gehen dürfen und präsentierten uns stolz, was sie gelernt hatten.

eva5 276x421Ganz besonders beeindruckt hat mich die Gastfreundschaft der äußerst liebenwürdigen Bevölkerung dieses Dorfes. Bei meinem Gang durch das Dorf, stets umringt von einer großen Zahl von Kindern, die sich alle fünf Minuten zu verdoppeln schien und die jeden Schritt ganz genau und interessiert verfolgten und mich mit ihren großen dunklen Augen fixierten, passierte es mir immer wieder, dass sogar die Erwachsenen aus ihren kleinen, runden Lehmhütten, die mit spitzen Strohdächern gedeckt sind, kamen, um mich persönlich zu begrüßen. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viele Hände geschüttelt, wie in diesen zwei Wochen.

Nach den drei Tagen im Dorf und nachdem die weiteren Planungen für den Bau der Schule und mögliche Hilfsprojekte besprochen waren, machten wir uns auf, den burkinischen Norden, eine Nomadenregion, zu entdecken. Hier informierten wir uns z.B. über ein schweizerisches Projekt, welches den Nomaden unterschiedliche Anbaumethoden in der Landwirtschaft vermitteln möchte. Wir verbrachten einige Tage auf dieser Versuchsfarm und konnten auch Einblicke in die Lebensphilosophie und Denkweise der ehemaligen Peulh-Nomaden gewinnen. Für sie ist Mittellosigkeit weniger bedeutsam als beispielsweise die spirituelle, emotionale und geistige Armut.

Meine anfänglichen Bedenken bezüglich des Gesundheitsrisikos haben sich aber während des Aufenthaltes nicht bestätigt, und ich möchte Erfahrungen und Eindrücke, die ich während der zwei Wochen gesammelt habe, nicht missen.Am Ende dieser Reise fiel es mir nicht leicht, in unsere Überflussgesellschaft zurückzukehren.